Nicht zum Anschauen
Nicht zum Anschauen
Heute Abend wird wie verrückt mit Steinen an unser Tor geklopft, Leute schreien nach den Schwestern. Eigentlich ist es schon spät und dann kommt halt das ABER….ja….wir können sie ja nicht wieder in die Nacht schicken. Dies wird mir klar, als ich den Patienten im Auto sehe Bruder und Frau und Schwägerin sind in heller Aufregung und erklären mir, dass der Patient Epilepsie hat und aggressiv ist und sie ihn eigentlich zwingen mussten, um hierher zu kommen. Und ich schaue in ein halb abgefaultes Gesicht, die Augen starren mich an, eine Zigarette glimmt im gesunden Mundwinkel, die andere Hälfte der Lippen ist auch bereits weggefault. Es dreht mir fast den Magen um und mir tut der arme kranke Mann einfach nur noch leid. Vor zwei Wochen ist Leka ist offene Feuer gefallen, weil er einen Anfall hatte. Sie haben ihn im Prinzip dann einfach gelassen, bis es dann heute Abend wohl doch nicht mehr ging. Sie schleppen ihn rein. Und warnen mich, dass er zuschlägt. Ich nähere mich dem Pateinten, spreche ruhig, streiche ihm über die nicht verbrannte Stirn, erkläre, dass ich ihn anschaue. Dann das ganze Desaster: die gesamte linke Hand riecht stark nach Fäulnis und ist als Hand fast nicht mehr erkennbar. Die Bauchregion ist auch schwer verbrannt, der Oberschenkel ist bereits nekrotisch. Ich erkläre Leka alles, was wir tun. Er schaut mich plötzlich mit seinen grossen Augen voll und offen an. Ich sehe so viel Leid in diesem Gesicht. Er erzählt mir förmlich wortlos seine Leidensgeschichte. Schmerzmittel hat er keine; sie sagen, er spuckt alles raus. Ich erkläre ihm, dass ich ihm Schmerztropfen gebe, dass die nicht gut schmecken, aber lindern. Und er schluckt sie problemlos. Die Angehörigen sind fast entsetzt, dass Leka plötzlich so anders ist, so «brav» sagt die Schwägerin. Dann weinen alle. Es ist klar, dass Leka sofort nach Tirana muss. Er hat Fieber und schafft diese Verbrennung nicht ohne Klinik. Wieder der Einspruch der Angehörigen, das Leka ausrastet, wenn man das tut. Ich erkläre Leka ruhig, warum er in die Klinik muss und er sagt glatt: «Dann gehe ich halt». Wieder schauen sie ganz entsetzt, weil der Patient zustimmt. Als ich ihm den Segen gebe, da sagt er «Christus hat gelitten» Und ich: «und du jetzt mit IHM, Leka. «. Da nickt er und wieder weinen die Angehörigen. Lezi, unser Mitarbeiter hat bereits mit dem Professor in Tirana gesprochen. Dort ist alles voll belegt, aber er versucht, den Pateinten irgendwie zu übernehmen. Wir wissen, dass die Brandstation wegen Erdbebenschäden geschlossen ist. Aber sie werden diesen Elenden aufnehmen.
Auf ein Foto haben wir heute verzichtet.