Ankunft des Engels
Ankunft des Engels
Endlich konnte mich ein Polizist zur Familie lotsen. Zwei Angehörige dieser Polizistenfamilie wurden vor ca. zwei Monaten drüben im Kreisel der Hauptverkehrsachse im Auto angeschossen und schwerst verletzt. Ich habe dann nach Stunden die Glassplitter auf der Strasse gesehen, aufgekehrt und daraus einen Mosaikengel gemacht. Schon lange wartet der Engel auf die Übergabe. Nun sind wir bei der Familie. Sie leben in einem modernen Haus nahe am Shkodrasee, weit draussen. Der Polizist, Vater eines Babys, ist weitgehend genesen. Seine junge Frau hat sich bei der Attacke auf den Hintersitz geduckt und blieb unverletzt. Schwer erwischt hat es den Vater des Polizisten. Und dieser Mann liegt bewegungslos in seinem Bett in einem Erker des neuen Hauses. Er guckt teilnahmslos und wirkt schwer traumatisiert. Die Angehörigen sagen, dass er nachts jetzt immer schreit, nicht mehr isst und gelähmt ist. Man hat nach dem Krankenhaus keinen Physiotherapeuten gefunden, da die nicht mehr ins Haus kommen aus Angst vor Corona. Und so ist der alte arme Mann völlig immobil und wirkt für mich wie im Niemandsland abgestellt. Die gesamte Familie ist traumatisiert – der angeschossene Polizist wirkt abweisend und wie nicht «erreichbar». Ich entschuldige mich, dass ich unangemeldet komme und erzähle dann die Entstehung des Splitter-Engels.
Das löst etwas aus; die Gesichter werden lebendiger. Der junge Mann hat Tränen und schluckt. Der alte Mann schluchzt und flüstert dann nach langer Pause: «Du hast Recht, wir haben einen Engel gehabt». Es ist, als dürfen endlich Tränen fliessen. Ein Mann darf hier nicht weinen. Nun hat sie der Engel angerührt.
Und dies ist nicht der letzte Besuch gewesen. Es ist klar, dass der alte Mann ein Krankenbett braucht, bessere Lagerung, Mobilisation und vor allem neue Hoffnung.