Die Herberge
Die Herberge
Sie sind herunter gekommen vom Dukagjingebirge. Zu hart ist es geworden dort oben für das vor kurzem getraute blutjunge Paar. Gerade sind sie 19 Jahre alt – beide. Aber schnell ist der Traum ausgeträumt vom besseren Leben hier im Tal, am See. Vorige Woche sind sie noch runter, kurz vor dem Einbruch des Schnees. Trotz allem hatten sie Glück. Ein altes feuchtes Haus im zweiten Stock konnten sie beziehen – keine 500 Meter weit weg von uns. Wir haben ihnen ein Bett und einen Ofen gekauft, Irena hatte noch Geschirr, einen Tisch, eine Kommode und einen Kleiderschrank. Ich besuche sie noch so kurz vor Weihnachten. Sie sollen wenigstens ein Zeichen des Willkommenseins haben.
Als ich durch das Maschengittertor bin, kommt die blutjunge Frau mir entgegen. Sie wirkt verschreckt. Ich begrüsse sie und im Haus dann taut sie ein wenig auf. Sie wollten hier Arbeit finden. Dies ist bislang ge-scheitert – wie bei so Vielen. Die Covidzeit hat das noch verschlechtert. Es ist kalt im Haus. Der Mann ist unterwegs, um Holz zu fällen - nahe am See. Sie müssen sparsam sein. Im Schlafzimmer ist es noch kälter, ich sehe schon die Eiszapfen runterhängen. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass es vielleicht im Stall zu Bethlehem noch wärmer war als hier im kalten grauen Beton. Da haben vielleicht die Tiere noch gewärmt. Ich habe ein paar Kerzen und eine ganz kleine Krippe eingepackt, die ich nun rausgruschtle und der jungen Frau in die Hand gebe. Da leuchtet etwas auf in ihrem Gesicht.